Till Kersting ist ein echtes Circuskind: als kleiner Junge
schnupperte er Backstageluft in der Beatband seines Onkels. Danach ging
der 13-jährige mit dem Kultur-Zirkus seiner Eltern auf Tour, schlief im
Bauwagen, und lernte das Handwerk, das seinen späteren Lebensweg
nachhaltig prägen sollte. Er stand mit der Gitarre auf der Bühne, gab
jeden Abend alles, und legte sich in seinem Kopf seinen späteren
Werdegang zurecht. Wie sollte der aussehen? Tourneen im Nightliner,
große Festivals, ein Artist-Vertrag mit Fender Keith
Richards in der deutschen Leftie-Variante, denn Till Kersting ist ohne
seine Telecaster beinahe unvorstellbar. Er hat den amerikanischen Soul
& Rock 'n' Roll der 50er bis 70er Jahre derart verinnerlicht, dass
diese Musik ein elementarer Bestandteil seiner Identität geworden ist:
längst hat er sich damit arrangiert, diese Musik bis zu seinem
Lebensende mit voller Hingabe zu spielen, bop til(l) you drop...Fast
forward, und Till ist nicht mehr 13. Er ist in der Mitte seines Lebens
angekommen, an jener Crossroad, an der man natürlich mit ungebrochener
Energie nach vorne- aber auch mit Nostalgie, Erstaunen, und einer Prise
gesundem Stolz zurückschaut. Drei englischsprachige Studioalben gehen
auf sein Konto, sein guter Ruf und sein Wirkungskreis wuchsen beständig
und dadurch entsprechend stabil und krisensicher. Die Nische, die er
bediente, wird in der Regel nicht an Musikhochschulen unterrichtet, und
die Nachfrage danach war groß. Als hired gun lieh er sein Können an Acts
wie Stefanie Heinzmann, Tom Beck, und Rock 'n' Roll Grandsigneur Peter
Kraus. Damit war der Traum der großen Bühnen erfüllt. Rastlos und
getrieben wie sein Naturell nun einmal ist, fragte er sich selbst: quo
vadis, Till? Ins TV. Nach Jahren als Musikalischer Leiter bei Pussy
Terror TV in der ARD stellt er Carolin Kebekus auch in ihrer neuen Show
DCKS eine musikalisch hochwertige Staffelei für ihre Medleys und
Interpretationen mit dem who-is-who der deutschen Musiklandschaft zur
Verfügung.Man kann sagen, dass Till Kersting rund zwanzig Jahre
konsequente Arbeit benötigte, um eine overnight sensation zu sein. Jeder
Streuner wird irgendwann einmal sesshaft, und Till stieg als festes
Mitglied in zwei Bands ein. Für Tommy Engel – die Stimme Kölns – ist er
als Gitarrist und Sänger tätig, mit dem Rockabilly Dreigestirn The
Baseballs tourt er um die Welt. Auch hier gilt, gut spielen reicht nicht
aus. Nicht nur am Griffbrett, auch modisch ist der athletische Musiker
ein Styler und macht im Feinripp-Unterhemd, Blue Jeans und Chelsea Boots
eine genauso schlüssige Figur, nur um tags darauf im maßgeschneiderten
Herr von Eden Cool-Jazz-Anzug in der Hotellobby Gin Tonic zu trinken.Und
irgendwo dazwischen fand Till noch die Zeit und die Energie an seinen
eigenen deutschsprachigen Songs zu arbeiten, die nun veröffentlicht
werden. Diese Songs müssen raus, Punkt. Da schmatzt die Tele fett und
saftig, ein Sound auf dem man Spiegeleier braten kann. Während andere
mit Kemper an der DAW professionellen Einheitsbrei servieren, fährt Till
Kersting im Camper ans Meer. Nein, im Ernst: bei Till ist alles analog.
Erstens, weil er alles andere scheiße findet. Und zweitens, weil nichts
jemals eine geile Band ohne Click, aber mit SSL Mischpult, 2 Zoll
Bandmaschine und jeder Menge altem Equipment ersetzen kann. Diese
Produktion ist die Dekadenz, die Till sich gönnt, um mit seinen eigenen
Songs seine eigenen roaring twenties einzuläuten. Schaut man sich einmal
kritisch um, ist er damit in der deutschen Musiklandschaft auf weiter
Flur alleine. Doch es gibt unzählige Fans dieser Musik, die exakt wissen
wie diese zu klingen hat, aber nicht bedient werden. Diese Verzahnung von Musikern, die lieben und leben was sie tun, ließ
sich noch nie in der Musikgeschichte faken; entweder man hat's, oder
eben nicht. Till Kersting hat es zuhauf und ist niemandem mehr einen
Beweis schuldig, darum geht es hier auch nicht. Rund eine Generation
jünger als die letzten großen deutschen Rock 'n' Roller, ist er mit
seinen Songs der legitime Fackelträger dieser Musik. Ihn macht nichts
glücklicher, als den sweet spot bei seinem Fender® Amp einzustellen und
als Geschichtenerzähler mit Telecaster über der rechten Schulter auf der
Bühne zu machen was er am besten kann: in der Rock 'n' Roll Manege
Gitarre spielen! (Quelle BEAR FAMILY)
"Circuskind" kommt am 5. November 2021 über BEAR FAMILY auch auf Vinyl mit Bonus CD, Comic und Autogrammkarte.
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